//    Der allergische Hund
Lebendige Tierwelt, 2. Quartal 1998
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Allergien werden nicht nur beim Menschen vermehrt diagnostiziert, unsere Hunde (und auch Katzen!) leiden ebenfalls in erschreckend zunehmendem Maße unter allergischen Reaktionen. Warum es im Immunsystem mit den gleichen Abwehrmechanismen, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit dienen, zu den gefürchteten Überreaktionen kommt, ist noch nicht bis ins letzte Detail erforscht.

 

Ursachen
Der Allergiker neigt dazu, nach Einatmung, Aufnahme durch das Essen und/oder Kontakt mit Umweltstoffen, die gewöhnlich nicht krankmachend sind, gegen diese Stoffe, die dann Allergene genannt werden, vermehrt Antikörper (Immunglobuline) zu bilden. Hauptsächlich verantwortlich für die allergischen Reaktionen ist zunächst vor allem das Immunglobulin E (IgE), das eine sehr schnelle allergische Reaktionskaskade auslösen kann. Das IgE wird vornehmlich zum Schutz gegen Parasiten gebildet. Die IgE-bedingten Allergien werden auch Atopien genannt. In der Folge der überschießenden IgE-Bildung kommt es zur vermehrten Bildung bestimmter Stoffe und Zellen, die zu den klinischen Erscheinungen führen, wie Heuschnupfen, Asthma, starker Juckreiz und entzündliche Reaktionen der Haut, der atopischen Dermatitis. Die Neigung zur Immunentgleisung, gegen harmlose Stoffe eine Atopie zu entwickeln, ist genetisch bedingt, das bedeutet, dass die Grundlage der Atopie sehr häufig weitervererbt wird, so dass es beim Menschen zu familiären Häufungen von Allergien kommt. Aus dem gleichen Grund gibt es beim Hund bestimmte Rassen (Deutscher Schäferhund, West Highland White Terrier, Boxer, Golden Retriever und andere), die vermehrt unter Allergien leiden. Dennoch können auch Hunde einer anderen Rasse und Mischlingshunde allergisch reagieren.

Klinik
Die allergisch reagierenden Menschen leiden häufiger unter dem gefürchteten Heuschnupfen und Bronchialasthma, beginnen aber auch oft schon im Kindesalter mit allergischen Reaktionen der Haut, die unter verschiedenen Namen bekannt sind, wie atopische Dermatitis, endogenes Ekzem oder Neurodermitis. Vergleichbar mit diesen Hautreaktionen des Menschen reagieren die meisten allergischen Hunde vorwiegend mit juckenden Hautentzündungen. Die Erkrankung wird daher allergische oder atopische Dermatitis genannt. Selten leiden die Hunde unter tränenden Augen oder Heuschnupfen. Bei den Katzen können die Allergien sowohl sehr verschiedenartige Hautreaktionen als auch Bronchialasthma hervorrufen.


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Typisch bevorzugte Stellen bei der atopischen Dermatitis der Hunde mit Juckreiz, Ohrenentzündungen und chronisch-entzündlicher Dermatitis, z.T. mit Schwarzverfärbung der Haut.
 

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Klinische Anzeichen beim atopischen Hund

Juckreiz, besonders an den von dieser Erkrankung bevorzugten Stellen von Gesicht, Kinn, Ohren, Pfoten, Vorder-, Hinterbeine, Achseln, Leisten, Flankengegend und

Folgeerkrankungen wie eitrige Hautentzündungen (Pyodermien), juckende Ohrentzündungen, Haarausfall, Braunverfärbung der Haut, Hautverdickung.

Die beschriebenen klinischen Symptome müssen nicht alle gleichzeitig bestehen, der Juckreiz ist aber immer vorhanden.

Ein Problem ist, dass es sehr viele juckende Hautentzündungen gibt, die nicht durch Allergien hervorgerufen sind, aber dennoch einer allergischen Reaktion sehr ähnlich sehen. Diese Erkrankungen, wie z.B. juckende eitrige Hautentzündungen, bedingt durch völlig andere Ursachen, müssen durch klinische Untersuchungen zunächst herausgefunden und ausgeschaltet werden, bevor ein Allergietest durchgeführt wird.

Ein weiteres Problem sind allergische Reaktionen auf Ektoparasiten, wie z.B. Flohstiche, Räudemilben oder auf Futtermittel: sie können ebenfalls ein ähnliches klinisches Bild wie das der atopischen Dermatitis hervorrufen, auf der anderen Seite können diese Erkrankungen zu einer zusätzlichen Verschlechterung der atopischen Dermatitis führen. Hinzu kommt, dass einige Milben, die die Haut befallen können, vermutlich eine Kreuzreaktivität mit den Hausstaubmilben auslösen. Bekanntermaßen besteht das beste Heilmittel gegen Allergien immer noch darin, die auslösenden Allergene strikt zu vermeiden. Gegen Parasiten gibt es wirkungsvolle antiparasitäre Behandlungen, und die Ernährung kann geändert werden, während für den Atopiker die Allergenvermeidung bei Pollen und den meisten Innenraumallergenen wie z.B. den Hausstaubmilben nicht möglich ist.

Vor den Allergietesten und der spezifischen Therapie des atopischen Hundes sollten daher alle Ektoparasiten und allergische Reaktionen auf Futtermittel ausgeschlossen werden.
 

Flohstichallergie
Eine Flohdermatitis entsteht dann, wenn die Haut auf den Flohspeichel allergisch reagiert. Der Speichel des Flohs enthält hochpotente Allergene. Atopiker reagieren auf den Flohspeichel besonders empfindlich, so dass der Flohbefall die atopischen Reaktionen mit Juckreiz und Hautentzündungen verstärken kann.

Diagnose:
Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis von Floh und/oder Flohkot. Befinden sich im Fell und auf der Haut schwarzbraune Krümel, die auf einem weißen und feuchten Tuch verrieben eine rötlich-braune Spur hinterlassen, handelt es sich um Flohkot, der das Blut des Hundes enthält. Die Lokalisation der Hautveränderungen ist häufig die hintere Rückenpartie, aber eine Generalisation ist möglich. Da die allergisch reagierenden Tiere sich vermehrt kratzen, beißen und putzen, sind bei ihnen häufiger keine Flöhe und kein Flohkot zu finden. Dennoch sollte beim klinischen Verdacht auf eine allergische Dermatitis immer eine Flohbekämpfung sowohl auf dem Tier als auch in der Umgebung erfolgen!

Futtermittelallergien/Unverträglichkeit von Futtermitteln mit Juckreiz
Die allergische Reaktion auf Bestandteile im Futtermittel kann schon sehr früh im Alter von drei bis sechs Monaten, aber auch in jedem späteren Alter auftreten und ist nicht auf einen Wechsel im Futterangebot zurückzuführen, wie viele Besitzer meinen, sondern tritt meist als Reaktion auf das Futter auf, das die Hunde und Katzen schon über einen längeren Zeitraum fressen.

Diagnose:
Nach einer Phase der wochenlangen Ausschlussdiät (am besten Fleisch und Kartoffeln) ist nach der Abheilung theoretisch durch die einmalige Provokationsfütterung des vermutlich allergenen Futters die allergische Reaktion wiederholbar, wobei die Symptome sehr schnell nach 15 bis 30 Minuten, aber auch verzögert nach 24 Stunden oder noch später auftreten. Kommt es während der Ausschlussdiät nur zur teilweisen Besserung der klinischen Befunde, muss an eine zusätzliche Überempfindlichkeit wie z.B. Atopie gedacht werden. Die klinischen Symptome können den Magen-Darm-Trakt mit Erbrechen/Durchfall oder die Haut oder auch beide Organe betreffen. Die Symptome an der Haut gleichen denen anderer Allergien mit dauerhaftem Juckreiz und sekundären Hautentzündungen.

Therapie:
Die Behandlung erfolgt durch Diät und besteht ebenso wie die Eliminationsdiät am besten aus Kartoffeln und Fleisch aus der eigenen Küche. Damit keine Mangelerscheinungen auftreten, wird ein chemisch reines Mineralstoffgemisch zugefüttert. Bei Besserung der Symptome kann ausprobiert werden, welches kommerzielle Futter der Hund verträgt, ohne wieder Juckreiz zu entwickeln.


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Typisch bevorzugte Stellen bei der atopischen Dermatitis der Hunde mit Juckreiz, Ohrenentzündungen und chronisch-entzündlicher Dermatitis, z.T. mit Schwarzverfärbung der Haut.
 

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Diagnose der Atopie
Die Diagnose der Atopie basiert auf dem Vorbericht, dem klinischen Bild und den Allergietesten, nachdem die oben besprochenen anderen Allergieformen und juckende Hauterkrankungen anderer Ursachen ausgeschlossen wurden. Die Bestätigung der Atopie kann durch Allergieteste erfolgen, mit denen Informationen über die auslösenden Allergene erhalten werden. Ziel der Allergieteste ist, die Allergene zu erkennen, um sie entweder zu vermeiden, was die sicherste Heilung versprechen würde, oder aber um eine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) mit den als positiv getesteten Allergenen vorzunehmen, deren Kontakt nicht oder nur sehr schwer zu vermeiden ist, wie z.B. den Hausstaubmilben, auf die Hunde ebenso wie Menschen sehr häufig allergisch reagieren.

Allergieteste bei atopischer Dermatitis
Es gibt generell zwei Möglichkeiten der Allergieteste beim Hund:
den Hauttest (Intrakutantest), der direkt am Hund vorgenommen wird und Blutteste, bei dem das allergenspezifische IgE im Blutserum gemessen wird. Bislang gilt der Hauttest als das zuverlässigste Diagnostikum.

 

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1. Intrakutantest
Vorbereitung: Absetzen aller entzündungshemmenden Medikamente wie Antihistaminika und Kortisone, weil die Teste sonst falsch negativ sind. Die Dauer der Wartezeit bis zum Allergietest ist abhängig von der Art der verwendeten Medikamente. Während der Wartezeit helfen Antibiotika, Bäder, Futterumstellung und Parasitenbekämpfung, den Juckreiz oftmals schon drastisch zu reduzieren! Zur Durchführung des Hauttestes wird die seitliche Brustwand auf einem kleinen Feld geschoren, und es werden jeweils 0,05 ml Allergen in die Haut (intrakutan) injiziert. Im positiven Fall reagiert das an spezielle Zellen gebundene allergenspezifische IgE innerhalb von 15 bis 20 Minuten mit dem in die Haut injizierten Allergen, sichtbar an einer meist roten, dicken Quaddel. Die entstehenden Reaktionen (Quaddel und Hautrötung) werden gegen positive (Histamin) und negative (Verdünnungsmittel) verglichen und abgemessen.
 



Die am häufigsten vorkommenden und getesteten Allergene sind Gräserpollen, z.B. Lieschgras, Wollgras, Roggen, Baumpollen, wie z.B. Birke, Erle, Hase, Hainbuche, verschiedene Kräuter, wie z.B. Beifuß, Spitzwegerich, und aus dem häuslichen Bereich die Hausstaubmilben Dermatophagoides farinae und D. pteronyssinus, Allergene von verschiedenen Vorratsmilben und von mehreren Schimmelpilzen.

2. IgE-Bestimmung (im Blutserum) durch spezielle Antikörper.
Die allergenspezifische IgE-Bestimmung im Serum ist in der Tiermedizin bisher nur beim Hund routinemäßig möglich und besitzt leider noch nicht dieselbe Genauigkeit, wie die IgE-Messung beim Menschen. Dennoch bieten die Blutuntersuchungen eine sehr wertvolle Hilfe bei der Suche nach den verantwortlichen Allergenen. Die IgE-Messung kann entweder in der tierärztlichen Praxis mit Streifentesten selbst durchgeführt werden oder das Serum wird an Labors versendet, in denen die IgE-Messung vorgenommen wird.

Behandlung durch spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung)
Die Kontrolle eines allergischen Tieres ist sehr stark von der Kooperation der TierhalterInnen abhängig, die um so besser ist, je mehr sie über die Wirkungsmechanismen und die Schwierigkeiten des gesamten Allergiekomplexes aufgeklärt sind. Die atopische Dermatitis ist ursprünglich eine Entgleisung des Immunsystems, die aber durch sehr viele Faktoren, wie z.B. Hitze, Stress, Parasiten, falsche Ernährung, zu verstärkten klinischen Symptomen führen kann. Daher ist die Atopie nicht durch eine einmalige Behandlung heilbar, sondern erfordert meist eine langjährige Kontrolle aller die Atopie verstärkenden Faktoren.


Der Erfolg der spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) bei der atopischen Dermatitis ist u.a. abhängig:

1. von der Richtigkeit der Diagnose der Atopie,
2. von der Richtigkeit der diagnostizierten Allergene,
3. von der Reinheit der verwendeten Allergene in der Hyposensibilisierung und
4. von der Beeinflussbarkeit des Immunsystems.


Es ist inzwischen besonders in der Humanmedizin schon viel über den Wirkungsmechanismus der Hyposensibilisierung erforscht worden. Durch steigende Konzentrationen der unter die Haut (subkutan) injizierten Allergene wird eine Umstimmung des Abwehrsystems durch Abnahme des „allergischen” Reaktionsmusters erreicht. Das Schema der Hyposensibilisierung sollte individuell erfolgen. Je früher mit der Diagnose der Atopie und der spezifischen Immuntherapie begonnen wird, desto besser ist vermutlich der Erfolg. Durch die vielen Faktoren, die eine Atopie verstärken, kann es dennoch neben der spezifischen Immuntherapie zu kurzfristigen allergischen Schüben kommen, die eine zusätzliche symptomatische Behandlung mit Antibiotika, Bädern und manchmal eine kurzzeitige Kortisonbehandlung in niedriger Dosierung erfordern. Dennoch verringert die Hyposensibilisierung in den meisten Fällen die allergischen Symptome und den ansonsten sehr hohen Kortisonverbrauch.

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Chronische Dermatitis am Bauch durch atopische
Dermatitis, vor der spezifischen Immuntherapie
 

Derselbe Hund nach erfolgreicher Behandlung durch die spezifische Immuntherapie.
 


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